Die Mehluntersuchungen liefern dem Bäckermeister die notwendigen Mehlkenndaten. Das Verstehen dieser Daten ist eine wichtige Voraussetzung für die optimale Verarbeitung des Mehles.
Heute sind die Getreideanalytik und die Mehlanalytik unverzichtbare Bestandteile bei der Qualitätseinstufung des Brotgetreides. Zusammen mit den Backversuchen bilden sie die Grundlage alljährlicher Verarbeitungsempfehlungen. Die Mehluntersuchungen liefern dem Bäckermeister die notwendigen Mehlkenndaten. Das Verstehen dieser Daten ist eine wichtige Voraussetzung für die optimale Verarbeitung des Mehles. Mit ihrer Kenntnis kann der Bäckermeister die Auswahl des Mehles genau treffen. Er kann somit nicht nur einer gleichbleibend guten Backwarenqualität, sondern auch neuen Führungsarten gerecht werden. Analysen ermöglichen dem Bäckermeister auch, Mehle nach Maß für das immer vielseitiger werdende Backwarensortiment auszusuchen. Je nach Bedarf hat er die Möglichkeit, Mehle für die Herstellung von deutschem Mischbrot, französischen Baguettes oder gar für die Herstellung von dänischem Plunder einzukaufen.
Um interessierten Bäckern mit Getreide-, Schrot- und Mehluntersuchungen sowie Analysedaten vertraut zu machen, um ihn in die Lage zu versetzen, sein Mehl gezielt auszuwählen und optimal zu verarbeiten, wird im folgendem die Mehlanalytik zur Beurteilung der Teigeigenschaften auszugsweise dargestellt:
1. Feuchtigkeitsgehalt
2. Typenzahl
3. Fallzahl
4. Feuchtklebergehalt und Feuchtkleberbeschaffenheittur
5. Sedimentationswert
1. Feuchtigkeitsgehalt
Die Lagerfähigkeit eines Mehles steht in engem Zusammenhang mit seinem Feuchtigkeitsgehalt.
Untersuchungsmethode
Zur Bestimmung des Feuchtigkeitsgehaltes eines Mehles wird in der Regel die Trockenschrankmethode (ICC-Standard Nr. 110/1) angewendet. Dabei wird eine genau abgewogene Menge Mehl einer bestimmten Trocknungszeit und -temperatur ausgesetzt. Aus dem Trocknungsverlust, der durch Wägung bestimmt wird, ergibt sich der Feuchtigkeitsgehalt des Mehles in Prozent. Einfacher lässt sich der Feuchtigkeitsgehalt mit Schnellbestimmungsmethoden, wie z. B. der „NIR-Methode“ oder der „NIT-Methode“, ermitteln.
Praktische Aussage
Hohe Feuchtigkeitsgehalte verkürzen die Lagerfähigkeit eines Mehles und vermindern seine Teigausbeute. Mehle mit hohem Feuchtigkeitsgehalt neigen zum Verklumpen. Der Feuchtigkeitsgehalt eines Mehles sollte daher nicht höher als 15 % sein.
2. Typenzahl
Mahlerzeugnisse aus Brotgetreide dürfen nach DIN 10355 nur nach bestimmten Typen gehandelt werden. Die Mehltype ist die Maßzahl für den Mineralstoffgehalt (früher Aschegehalt) des Mehles, der nach Veraschung zurückbleibt, und steht in enger Beziehung zum Ausmahlungsgrad.
Untersuchungsmethode
Zur Bestimmung der Typenzahl wird das Mehl in einem Verbrennungsofen (Muffelofen) bei 900 °C so lange verascht, bis ein weißer Glührückstand (min. 2 Std.), bestehend aus Mineralstoffen, zurückbleibt (ICC-Standard Nr. 104/1). Aus dem Verbrennungsverlust, der durch Wägung bestimmt wird, ergibt sich der Mineralstoffgehalt in %. Die Typenzahl gibt an, wie viel Gramm Mineralstoffe bzw. Asche in 100 kg wasserfreiem Mehl enthalten sind.
Praktische Aussage
Die Mineralstoffe befinden sich überwiegend in den Randpartien des Getreidekornes. Mit steigender Ausmahlung gelangen daher immer mehr Mineralstoffe in das Mehl. Gleichzeitig erhöht sich der Gehalt an Eiweißstoffen, Ballaststoffen, Fetten und Enzymen, während Kleber- und Stärkegehalt prozentual abfallen. Dunkle, mineralstoffreiche Mehle zeichnen sich folglich in der Praxis durch eine erhöhte Wasseraufnahme und Enzymaktivität aus. Gegenüber helleren, mineralstoffärmeren Mehlen erzielen sie ein kleineres Gebäckvolumen. Backschrot enthält alle Bestandteile des Getreidekorns, mit Ausnahme des Keimlings und der äußeren Fruchtschale. Daher haben Schrote als sehr grobe Mahlerzeugnisse die höchste Typenzahl. Vollkornmehle enthalten alle Bestandteile des gereinigten, vollen Korns – einschließlich des Keimlings. Daher entfällt für sie die Typisierung. Die Körner dürfen vor der Verarbeitung von der äußeren Fruchtschale befreit sein.
Weizenmehltypen und Mineralstoffgrenzwerte | |||
Type | Mineralstoffe in 100 g wasserfreiem Mehl | Verwendung für (lt. DIN 10355) | |
min. | max. | ||
405 | 0,50 | feine Backwaren, bevorzugtes Haushaltsmehl | |
550 | 0,51 | 0,63 | helle Brötchen, feinporige Teige |
812 | 0,64 | 0,90 | dunkle Brötchen, helles Mischbrot |
1050 | 0,91 | 1,20 | Mischbrot, herzhafte Backwaren |
1600 | 1,21 | 1,80 | dunkles Mischbrot |
1700 | 1,81 | 2,10 | Weizenbackschrot für Schrotbrot |
Roggenmehltypen und Mineralstoffgrenzwerte | |||
Type | Mineralstoffe in 100 g wasserfreiem Mehl | Verwendung für (lt. DIN 10355) | |
min. | max. | ||
815 | 0,90 | Feinmehl, helle Roggenbrote | |
997 | 0,91 | 1,10 | helles Mischbrot |
1150 | 1,11 | 1,30 | Roggenmischbrot, Roggenbrot |
1370 | 1,31 | 1,60 | Roggenmischbrot, Roggenbrot |
1740 | 1,61 | 1,80 | Roggenbrot |
1800 | 1,81 | 2,20 | Roggenbackschrot für Schrotbrot |
3. Fallzahl
Mit der Fallzahl kann der Bäcker auf den enzymatischen Zustand eines Mehles, insbesondere auf seine Alpha-Amylase-Aktivität, schließen.
Untersuchungsmethode
Zur Bestimmung der Fallzahl wird ein Mehl-Wasser-Gemisch in einem kochenden Wasserbad erwärmt. Aus der Stärke bildet sich dabei je nach Amylase-Aktivität ein Stärkekleister von unterschiedlicher Festigkeit. Die Verflüssigung des Stärkegels durch die Alpha-Amylase in der Probe wird als Fallzahl erfasst. Demnach ist die Fallzahl die Zeit in Sekunden, die ein genormter Rührer benötigt, um diesen Kleister vollständig zu durchdringen (ICC-Standard Nr. 107). Je größer die Amylase-Aktivität, desto schneller wird der Stärkekleister verflüssigt, sodass der Rührer in kurzer Zeit, d. h. mit einer kleinen Fallzahl, absinken kann.
Praktische Aussage
Hohe Fallzahlen gehen in der Regel einher mit geringen Maltosezahlen. Aus dieser Beziehung leiten sich für Weizenmehle wichtige bäckerische Konsequenzen ab. In die Beurteilung der Roggenbackfähigkeit fließen neben der Maltose- und der Fallzahl zusätzlich die Amylogrammwerte ein. Auf ihre Beziehung zueinander wird im nächsten Kapitel näher eingegangen. Die Fallzahlen von Vollkornmehlen sind in der Regel etwas niedriger als die der gängigeren Typenmehle.
Richtwerte für Weizenmehle der Type 550 und Roggenmehle der Type 997 und 1150 | |
Hohe Fallzahl | Niedrige Maltosezahl |
Weizen: > 380 s Roggen: > 200 s |
1,0 – 2,0 % < 2,5 % |
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Mittlere Fallzahl | Mittlere Maltosezahl |
Weizen: 280 – 380 s Roggen: 150 – 200 s |
2,0 – 3,0 %
2,5 – 5,0 % |
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Niedrige Fallzal | Hohe Maltosezahl |
Weizen: < 280 s Roggen: < 150 s |
3,0 – 3,5 % > 5,0 % |
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Faustregeln für die Verarbeitung von Weizenmehlen | |||
Hohe Fallzahl, niedrige Maltosezahl | Niedrige Fallzahl, hohe Maltosezahl | ||
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Faustregeln für die Verarbeitung von Roggenmehlen | |||
Hohe Fallzahl, niedrige Maltosezah | Niedrige Fallzahl, hohe Maltosezahl | ||
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4. Feuchtklebergehalt und Feuchtkleberbeschaffenheit
Weizenmehle zeichnen sich durch ihr Kleberbildevermögen aus. Während der Teigbereitung vermag das Klebereiweiß bis an das 2- bis 3-Fache seines Gewichtes an Wasser aufzunehmen. Es bildet das Teiggerüst und ist verantwortlich für das Gashaltevermögen. Wegen dieser Schlüsselfunktionen ist die Kleberbestimmung ein wichtiger Teil jeder Weizenmehluntersuchung.
Untersuchungsmethode
Man erhält den Feuchtkleber durch Auswaschen des Weizenmehles mit Kochsalzlösung. In den meisten Laboratorien wird der Kleber heute durch die „Glutomatic“ bestimmt. Hier gibt es zwei Standardmethoden. ICC-Standard Nr. 137/1 ist eine reine Mehlkleberbestimmung und ICC-Standard Nr. 155 ist eine Schrotkleberbestimmung, welche oft auch für Typenmehle genutzt wird. Der ICC-Standard Nr. 155 gibt durch den Gluten-Index zusätzlich zur Klebermenge eine Angabe zur Festigkeit des Klebers. Geht der Gluten-Index gegen 0, wird der Kleber weich und dehnbar, geht der Index gegen 100, wird der Kleber fest und wenig elastisch. Um die Klebermengen im Vergleich beurteilen zu können, ist eine Auswaschung nach derselben Methode unabdingbar.
Bei beiden Verfahren bleibt der Kleber als gequollene, elastische Masse zurück. Durch einen Siebwechsel werden bei der ICC-Standard-Nr.-155-Methode Schalenteile entfernt. Ziel des Auswaschens ist die Entfernung der Stärke und anderer wasserlöslicher Mehlbestandteile. Der aus dem Mehl ausgewaschene, feuchte Kleber wird gewogen. Sein Gewicht wird in Prozent vom Mehl angegeben. Je nach seinen Dehnungseigenschaften ist die Kleberbeschaffenheit
- unelastisch
- elastisch – wenig dehnbar
- elastisch – genügend dehnbar
- elastisch – gut dehnbar
- elastisch – sehr dehnbar, nachlassend
Für die Bestimmung des Klebergehalts bei Weizenvollkornerzeugnissen muss das Mehl zuvor laut ICC-Standard Nr. 155 nachvermahlen werden, im Anschluss kann die Kleberauswaschung stattfinden.
Praktische Aussage
Der Feuchtklebergehalt eines Weizenmehles und seine Beschaffenheit – unelastisch, elastisch – wenig dehnbar, elastisch – genügend dehnbar, elastisch – gut dehnbar elastisch – sehr dehnbar, nachlassend – bestimmen entscheidend das Verhalten des Teiges im Verlauf des Knetens, auf Gare und während des Backvorgangs. Im Allgemeinen gilt: je höher der Feuchtklebergehalt und je besser seine Beschaffenheit, umso größer die Wasseraufnahme, das Gashaltevermögen und das zu erwartende Gebäckvolumen. Um eine höhere Wasseraufnahme zu gewährleisten, sollten Mehle mit hohem Feuchtklebergehalt intensiver geknetet werden (Ausnahmen sind Dinkelmehle).
Richtwerte für Weizenmehle der Type 550 | |||
Feuchtklebergehalt | Praktische Aussage | ||
> 30 % (hoch) |
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26 – 30 % (normal) |
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20 – 25 % (gering) |
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< 20 % (ungenügend) |
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5. Sedimentationswert
In Verbindung mit dem Feuchtklebergehalt lässt der Sedimentationswert recht sicher auf die Backeigenschaften des Weizens schließen.
Untersuchungsmethode
Bei der Analyse des Sedimentationswertes werden ganze Weizenkörner auf einer genormten Mühle zu Mehl von einer vorgegebenen Korngröße vermahlen (Vermahlung: ICC-Standard Nr. 118). Der Sedimentationswert von Weizenmehlen wird nach der Methode von Zeleny (ICC-Standard Nr. 116/1) bestimmt. Die Bestimmung des Sedimentationswertes von Vollkornmahlerzeugnissen ist jedoch standardmäßig nicht durchführbar.
Zur Bestimmung des Sedimentationswertes werden die Eiweißstoffe der Weizenmehle mit einer Indikatorlösung (Bromphenolblau) sichtbar gemacht. Durch weiteres Hinzufügen von verdünnter Milchsäure und Alkohol quillt das Kleberprotein und sedimentiert zu einem deutlich sichtbaren Bodensatz, dessen Volumen gemessen und als Sedimentationswert in Millilitern angegeben wird. Sedimentationswerte sind nur dann miteinander vergleichbar, wenn die Korngrößenverteilung der Mehle übereinstimmt.
Praktische Aussage
Die Sedimentationswerte von Weizenmehlen schwanken zwischen 20 und 75 ml. Sie hängen ab von der Klebermenge und der Kleberqualität. Je mehr Kleber und je besser die Güte des in einem Mehl vorhandenen Klebers, umso langsamer ist die Sedimentation mit einem größeren Sedimentationsvolumen. Bei der Brotherstellung führt ein hoher Sedimentationswert zu einem besseren Gashaltevermögen, einem hohen Teigstand und folglich zu einer größeren Volumenausbeute.
Faustregeln für die Verarbeitung Je höher der Sedimentationswert, desto besser das Backverhalten der Weizenmehle |
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> 45 ml (sehr gute Qualität) |
30 – 45 ml (gute Qualität) |
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20 – 30 ml (mittlere Qualität) |
< 20 ml (geringe Qualität) |
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